Rat und Tat für Menschen im noch fremden Land

Pressemitteilung 30. November 2021

Migrationsberater verabschiedet

Kirchenkreis Emden-Leer und Paulusgemeinde Emden
verabschiedeten Migrationsberater Jürgen Berwing in den Ruhestand

„Er hatte immer ein offenes Ohr und eine helfende Hand.“ Das sagte Superintendentin Christa Olearius über Jürgen Berwing. Der Dipl.-Sozialarbeiter/-pädagoge wurde zum 1. Dezember als Migrationsberater im Evangelisch-lutherischen Kirchenkreis Emden-Leer und in der Paulusgemeinde Emden in den Ruhestand verabschiedet. „Er hat hier in fast vier Jahren viel bewegt“, würdigte im Gottesdienst in der Pauluskirche Emden Pastorin Ina Schulz die Arbeit des 66-Jährigen.

„Wie ein Einheimischer soll euch der Fremde gelten, der bei euch lebt. Du sollst ihn lieben wie dich selbst.“ Dieses Bibelwort aus dem Alten Testament habe sich Jürgen Berwing ausgesucht. Dem entsprechend habe er gewirkt, sagte Superintendentin Olearius.
Mit Dank und Anerkennung wurde auch Christina Jurk verabschiedet, die unter Anleitung von Berwing ihr Anerkennungsjahr als Sozialarbeiterin/-pädagogin absolvierte. Sie erwartet ein Kind und wird mit ihrem Mann nach Oldenburg ziehen.

Die Arbeit in der Migrationsberatungsstelle in der Geibelstraße 37a in Trägerschaft des Kirchenkreises wird nahtlos weitergehen. Als Nachfolgerin von Jürgen Berwing sorgt dafür Susanne Nolte. Zuwanderer im Alter ab 27 Jahren können das niedrigschwellige und kostenlose Angebot annehmen. Es soll ihnen helfen, sich in einem zunächst noch fremden Land zurechtzufinden.
Etwa die Hälfte der Arbeit widme sich spät ausgesiedelten Menschen, von denen viele aus Russland und Kasachstan kämen, sagte der Migrationsberater. Damit hat auch der Dienst der Beratungsstelle begonnen. 20 Jahre lang, bis Anfang 2018, engagierte sich dort Sozialarbeiterin Selma Kurganow. Viele Gruppenaktivitäten entstanden. Auch Jürgen Berwing hat das ausgeprägte Miteinander der Menschen aus der früheren Sowjetunion gefördert und begleitet. Und er stand jenen mit Rat und Tat zur Seite, die dort Jahrzehnte lang schwer gearbeitet haben, deren Rente hier aber wenig wert war.

Das Beratungsangebot für Zuwanderer und Zuwanderinnen für deren Integration und Teilhabe in der Gesellschaft bildet die andere Hälfte der Arbeit. Die Corona-Pandemie habe dazu beigetragen, dass sich der Beratungsbedarf mit rund 1200 Gesprächen in diesem Jahr etwa verdoppelt habe, erklärte Berwing in einem Gespräch nach seiner Abschiedsfeier. Ämter seien oftmals nicht für die Hilfesuchenden zugänglich gewesen und für telefonische Auskünfte hätten deren Sprachkenntnisse nicht ausgereicht. So seien sie besonders auf die Unterstützung durch die Beratungsstelle angewiesen gewesen.

Seit August kamen besondere Hilferufe von afghanischen Familien an: „Die hatten panische Angst um ihre Angehörigen in Afghanistan“, berichtete Jürgen Berwing. „Es gibt momentan keine Wege zu helfen“, bedauerte er. Auch vielfältige Kontakte, etwa zum Auswärtigen Amt, nützten nichts. Er habe alles dokumentiert – darunter Drohbriefe der Taliban, die Angehörige unter Druck setzen – und hoffe auf Hilfsprogramme.
Für unverzichtbar hielten auch in der Pandemie Berwing und Jurk die persönliche Beratung. Sie sei nicht durch Gespräche per Video oder Telefon zu ersetzen. Erwartet werde aber, dass die Menschen genesen, geimpft oder getestet seien.
Dankbar ist der jetzige Ruheständler für die Wertschätzung, die er von Ratsuchenden, aber auch von den Verantwortlichen im Kirchenkreis und im Diakonischen Werk, erhielt. „Ruhe“ wird für ihn ein relativer Begriff sein. „Ich hoffe, er wird der Gemeinde weiter als Ehrenamtlicher erhalten bleiben“, sagte im Abschiedsgottesdienst Pastorin Schulz. Er antwortete darauf mit einem „Ja“ und erhielt dafür Beifall. „Ich stehe für bestimmte Aufgaben zur Verfügung“, präzisierte er im Gespräch.

Mit einigen Überraschungen war Jürgen Berwing zum Abschied bedacht worden. So spielte im Gottesdienst Organist Matthias Visarius für ihn das Stück „Time to say goodbye“. Und die Singgruppe „Freundschaft“ mit Leiterin Klara Stein bedankte sich – wegen der Corona-Schutzbestimmungen draußen – mit einem kleinen Konzert für Rat und Tat.