Jahreslosung 2023 – Du bist ein Gott, der mich sieht.
Genesis 16, 13
Jahreslosung 2022 – Jesus Christus spricht: Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen.
Johannes 6, 37
Jahreslosung 2021 – Jesus Christus spricht: "Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist"!
Lukas 6, 36
Jahreslosung 2020 – Ich glaube; hilf meinem Unglauben!
Markus 9, 24
Jahreslosung 2019 – Gott spricht: „Suche Frieden und jage ihm nach!"
Psalm 34,15
In manchen Häusern kommt die ganze Familie nur noch selten zusammen. Alle wohnen inzwischen weit verstreut. Wenn sie dann um einen Tisch sitzen, trifft Vieles aufeinander. Unsichtbar mit dabei ist bei den meisten aus der Runde der Wunsch, es möge doch alles friedlich und harmonisch zugehen. Bloß kein Streit … Und dann? Dann reichen oft schon gewisse Stichworte … Und immer gibt es die, die mit Begeisterung darauf eingeht und ein Kämpfchen wagt, und auch den, der schnell alle Wogen zu glätten versucht.
Was tun wir nicht alles „um des lieben Friedens willen"? Wie viel wird unter den Teppich gekehrt? Da kann es so lange liegen, bis irgendwer irgendwann darüber stolpert. Dann ist es schnell um den „lieben Frieden" geschehen. Er ist kein Dauergast, der einfach so mit am Tisch sitzt und ein friedliches Miteinander garantiert. Weder in unseren Familien und unserer Gesellschaft, noch in unserer Welt, auch nicht in unserer Gemeinde. Überall erleben wir, wie zerbrechlich und flüchtig der Friede ist. Wie leichtfertig und oft auch un-bedacht wir ihn aufs Spiel setzen.
„Suche Frieden und jage ihm nach!", fordert einer im 34. Psalm.
Diese Friedensbotschaft ist Kern aller prophetischen Verkündigung und Erwartung. Und wir wollen nicht aufhören, uns nach Frieden und Ver-söhnung zu sehnen. Hier bei uns und auf der ganzen Welt.
Einmal dann wird einer die zerstörte und zerstrittene Schöpfung am Ende der Zeiten wieder zurecht bringen und heilen: Jesus Christus.
Jahreslosung 2018
Gott spricht: "Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst."Offenbarung 21,6
Umsonst! Ist das nicht schön? Wir müssen nichts können, nichts zahlen und nichts leisten um das lebendige Wasser Gottes zu bekommen.
Es ist fast so, wie wenn wir miteinander im Gemeindehaus oder in unseren Häusern Tee trinken. Ich fühle mich dann immer gestärkt und ermutigt … -
Im letzten Buch der Bibel, der Offenbarung, gewährt uns der Seher Johannes den Ausschnitt Blicks auf das himmlische Jerusalem. Bei allem Geheimnisvollen bergen die Worte der Offenbarung zutiefst menschliche Bedürfnisse wie eben Durst. Johannes spannt einen Bogen von den ersten bis zu den letzten Seiten der Bibel. Dazwischen liegt die Geschichte Gottes mit uns Menschen.
Der Zugang zu sauberem Wasser ist ein Menschenrecht. Trotzdem sterben jährlich über drei Millionen Menschen, alle zwanzig Sekunden ein Kind, an unzureichender Wasserversorgung. Auch wenn viele von uns durchaus wissen, was Not bedeutet: Eine solche Not können wir uns kaum vorstellen.
Und doch: Als Christen müssen wir es versuchen.
Lasst uns einander zu trinken geben! Lasst zu, dass Jesus Christus uns zur Quelle führt.
Vitaminreicher Ort - angedacht von Wolfgang Ritter
In Emden wird zum Abschluss der Freibadsaison zum „Hundeschwimmen“ eingeladen. Nicht jedermanns Sache, aber warum nicht? Das klare Wasser, die Luft und die Natur laden Mensch und (!) Tier zum Genießen ein. Der Zusammenhang mit Gottes guter Schöpfung kommt den Menschen beim Baden nahe, aber längst nicht immer. Unter dem Motto „Ort des Zuhörens“ hat die Kirche im Saarland deshalb an einem beliebten Badesee einen Bauwagen aufgestellt. Die Organisatoren zogen ein positives Fazit: „Die Kirche der Zukunft wird eine niedrigschwellige Kirche sein, die die Menschen dort anspricht und auf sie eingeht, wo sie sind.“ Also demnächst: Eine Bauwagenkirche am Wasser – auch in Ostfriesland?
„Ort des Zuhörens“. Das finde ich gut. Da könnte man erzählen, warum manchmal der Hund des Menschen bester Freund ist. Ich stelle mir Ältere vor, die erzählen von der Freude am Schwimmen, wenn sie sich endlich wieder ganz leicht fühlen. Ich denke an Kinder, die Lust haben vom Seepferdchen zu schwärmen und der Erfahrung nicht unterzugehen. Und dann ist da vielleicht ein junger Mann, der sich alles so schön ausgemalt hatte: Das Rendezvous mit seiner Freundin im Sonnenuntergang. Aber dann kam sie nicht und schickte nur eine Nachricht auf dem Handy. Wie schön wäre das, wenn dann jemand da wäre, der zuhört. „Wer da bedrängt ist findet/ mauern, ein/ dach und // muss nicht beten“. 1968, schreibt Reiner Kunze diese kurze Gedicht mit dem Titel: „Pfarrhaus“. 1968 – das ist für viele in der DDR eine sehr schwierige politische Zeit. Für die meisten unter uns heute ist die Erfahrung der politischen Verfolgung die der Anderen. Aber die Sehnsucht nach einer Zuflucht, nach einem Raum zum Innehalten und zum sich orientieren, ist auch heute da. Die Suche nach offenen und diskreten Gesprächspartnerinnen und –partnern in den Fragen unseres Alltags oder die Suche nach einem Ort, an dem man einfach mal da sein und innehalten kann.
Mich selbst hat „Kirche“ in meiner Jugendzeit durch ein Projekt angesprochen, das hieß „Der Andere Laden“. „Der Andere Laden“ war für uns als Jugendliche vor allem eine Einladung, Atem zu holen, sich bei den Hausaufgaben zu helfen, zur Ruhe zu kommen und die Seele nachkommen zu lassen. Einmal sind wir gemeinsam zum Sonnenuntergang auf einen der Hügel aufgebrochen. Die ganze Schöpfung war noch einmal in dieses vitaminreiche Licht getaucht, das dann eben doch zum Lobpreis einlud. Mit Worten des 104. Psalms: „Licht ist DEIN Kleid, das DU anhast. DU breitest den Himmel aus wie einen Teppich. DU lässt Wasser in den Tälern quellen.“
Auch für uns!
Das Kleeblatt, oder: Drei in einem - angedacht von Wolfgang Ritter
Eine Gruppe von Iranern ist zum Taufunterricht gekommen. Die Verständigung ist nicht leicht. Eine Frage lautet: „Sagen Sie „drei“ oder sagen Sie „einer“, wenn Sie segnen oder von Gott sprechen?“ In dem Glauben an Gott, den Vater und den Sohn und den Heiligen Geist, diese „drei in einem“, wollen sie neu beginnen. Diese sog. „Trinität“ ist diesen Männern und Frauen aus dem Orient kostbar. Und uns?
Der evangelische Theologe Klaus-Peter Jörns formuliert es so: „Die Trinität sagt, dass Gott in der Begegnung mit Menschen seine Gestalt ändern kann.“ Da ist er uns „Vater“, Vater und Mutter, damit wir jemanden haben, wo wir Trost und eine liebevolle Antwort finden, Annahme und Aufgenommensein. Da ist Gott als „Sohn“ in Jesus Christus nahe. Gott wird uns Bruder und kommt uns „menschlich“ nahe. Da wirkt Gott durch seine Geistkraft in unsere Herzen hinein und macht Christus gegenwärtig über Zeiten und Grenzen hinweg. Bei seinen Missionstätigkeiten in Irland bemerkte der heilige Patrick, dass Menschen Schwierigkeiten hatten, das Geheimnis der Heiligen Dreifaltigkeit zu verstehen. Er nahm ein dreiblättriges Kleeblatt und erklärte, dass es nur einen Stil aber drei Blätter habe. In der Vielfalt bilde es eine Einheit wie bei der Trinität. Seitdem ist das dreiblättrige Kleeblatt, der "Shamrock", das Symbol Irlands. Die Iren tragen es an St. Patrick's Day, dem irischen Nationalfeiertag, bis heute Kleeblätter an ihrer Kleidung.
Einmal auf die Spur gebracht, gibt es viele Symbole für „drei in einem“. Ich denke an die Dreiklänge in der Musik. Aus drei einfachen Tönen entsteht gemeinsam ein Akkord. Ich denke an die räumliche Wirklichkeit. Sie wird in Höhe, Länge und Tiefe gemessen. Die Demokratie, in der wir leben, lebt von der Gewaltenteilung in Legislative, Judikative, und Exekutive. Wer „Trinität“ sagt, beschreibt die Religion als einen fortdauernden Prozess, in dem „drei in einem“ zum Wohl des Ganzen beitragen. In der Psychologie spricht man von einer Triade, wenn die Symbiose von Mutter und Kind durch etwas Drittes gestört und ergänzt wird. Eine lebendige Kritik- und Beziehungsfähigkeit entsteht, die geistiges Wachstum ermöglicht und Freiheit. Am Abendbrottisch erzählte jemand von der Grammatik Gottes. Als Menschen bilden wir Sätze durch Subjekt, Prädikat und Objekt. Auch Gott bildet solche Sätze, um in Beziehung zu treten. Gott, der Vater durch den Sohn im Heiligen Geist.
Es ist ein kostbares Geschehen, auf das wir als Menschen kreative Antworten finden sollen und können.
Wunder? - angedacht von Martin Kaminski
In Lettland singen bald keine Pfarrerinnen mehr. Die Synode der lutherischen Kirche Lettlands hat soeben die 1975 eingeführte Frauenordination abgeschafft. Verstehen wir uns richtig – sie hat sie nicht etwa nicht eingeführt, sondern ABGESCHAFFT. Beschlossen haben das natürlich die Männer. Singende Männer auf dem Rückweg in die Steinzeit.
In Frankreich stürmen gerade eine ganze Menge überwiegend gut bezahlte Männer über perfekte Rasenflächen, während Zigtausende singen und wieder andere nicht singen, sondern darüber nachdenken, wie und wo man jemandem den Schädel einschlagen kann. Auch für diese Szene gibt es Lieder – sie klingen roh und beängstigend. Singende Männer auf dem Rückweg in die Steinzeit. Wobei ich den Steinzeitmenschen eigentlich kein Unrecht tun möchte, denn ich weiß nicht, ob man dort ohne einen vernünftigen Grund aufeinander los ging.
Wütende Lieder werden gesungen und ganz oft daraufhin Klagelieder.
Klagelieder über Tragödien – Klagelieder, wenn medial präsent in Amerika Menschen im Kugelhagel eines wahnsinnigen Mannes sterben, der auf den weltweit sichtbaren Selfies eigentlich ganz nett aussah. Klagelieder, über all die Toten in den Meeren und Kriegen – sie werden leiser und leiser, je weniger sie uns unmittelbar betreffen. Es kommen ja immer weniger Flüchtlinge – wie schön. Wir singen keine Lieder über die, die hinter den Zäunen stehen und heimatlos im besten Fall gestrandet, im schlimmsten Fall ertrunken sind.
1 Singt dem Herrn ein neues Lied, denn er hat
Wunder vollbracht!
Allein seine starke Hand, sein heiliger Arm, brachte
die entscheidende Hilfe.
2 Der Herr hat gezeigt, dass er Rettung verschafft;
vor den Augen aller Völker ließ er offenbar werden,
wie er Heil schenkt
3 Er hat ganz Israel gegenüber an seine Gnade
und Treue gedacht.
Bis ans Ende der Erde sieht man die Rettung, die
von unserem Gott kommt.
Das ist die 1. Strophe des Psalms 98, der wirklich mal ein Lied war. Es ist eine recht neue, nämlich die Genfer Übersetzung.
"Singt dem Herrn ein neues Lied, denn er hat Wunder vollbracht".
In unsere Luther Bibel heißt es "Singt dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder." Das kennen wir.
"Im Hebräischen steht da aber wohl tatsächlich die Vergangenheitsform: Gott Hat ein Wunder getan. Luther hat sich die Freiheit genommen, das
anders zu übersetzen: Gott tut Wunder." Bei seiner Bibelübersetzung fragte Luther sich immer wieder "Was ist da gemeint?" und nicht "Was steht da wörtlich?".
Luther verstand diesen Text so, dass Gott auch heute noch Wunder tut.
Ich hätte nichts dagegen - möge Gott am besten heute noch reichlich Wunder tun!
Zuhause ?! - angedacht von Wolfgang Ritter
Waren Sie Ostern zuhause oder auf Reisen? Manche, die auf Reisen waren, werden beneidet. Aber wo sind wir eigentlich Zuhause? Ein Kind ist nicht bei sich zuhause, sagt man, sondern bei seinen Eltern. Man sagt: Ein erwachsenes Menschenkind ist auch nicht bei sich zu Hause. Es ist bei dem Zuhause, der ihn liebt. „Zuhause“ ist eben mehr als ein Bett und ein Kühlschrank. Österlicher Glaube ist Leben mit einem, der Menschen liebt. Den möchte ich heute wieder einmal vorstellen.
Es ist Jesus. Jesus hat sich eingesetzt und Menschen während seines irdischen Wirkens beziehungsfähig gemacht und vor Rachegelüsten geschützt: „Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein.“ Er hat in der Tischgemeinschaft mit Zöllnern und Sündern Vergebung gelebt. Er hat aussätzige Außenseiter, Männer und Frauen teamfähig gemacht. Bei seiner Verhaftung gibt es keine Schießerei und etwas zu denken: „Wer das Schwert nimmt, wird durch das Schwert umkommen.“ Er hat noch als Gekreuzigter gebetet: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ Aber wie soll man bei einem Zuhause sein, der gekreuzigt wurde? Menschen haben nach dem Tod Jesu entdeckt, dass auch sein Tod Vergebung wirken kann. Dies lässt sich nicht auf eine Formel bringen, aber es ist ein Prozess der Klärung und des Nachdenkens, der Früchte trägt. Für diesen Prozess gibt es Gleichnisworte, die von jeder Generation aufs Neue erprobt sein wollen: Christus war wie das Weizenkorn, das in die Erde fällt und erstirbt. So bringt er viele Früchte. Christus war das letzte Sühnopfer, um Menschen von dem Zwang zu erlösen, andere Menschen zu Sündenböcken machen zu müssen. Der Gerichtete wird der Richter. Im Kreuz Jesu Christi sind gleichzeitig Gottes Zorn gegen den Sünder und Gottes Liebe für denselben. Der Schmerz, den Gott erleidet, ermöglicht Beziehungsfähigkeit durch Mitgefühl auf Erden.
Nach Ostern zuhause: Wo der österliche Christus unterwegs ist, kann er durch Mauern gehen und einfach da sein, indem Menschen hören: „Friede sei mit euch!“ Und immer wieder diese Stimme: „Friede sei mit euch.“ Und: „Empfangt den Heiligen Geist!“ Die erste Folge dieses Empfangens: „Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert.“ Ostern können Menschen wieder mit Jesus Zuhause sein. Sie leben mit einem, der sein Leben für Frieden und Versöhnung hingegeben hat, dieses neu empfängt und weitergibt. Die Freude darüber hat Ostern gerade erst wieder begonnen. Richten wir uns darauf ein.
Was bewegt, was ist wichtig, wohin geht der Weg? - angedacht von Wolfgang Ritter
Berlinale 2016 – Eröffnungsfilm „Hail, Cesar“. Bekehrung des römischen Hauptmanns unter dem Kreuz. „Jesus ist Gottes Sohn, ist nicht Gottes Sohn, ist nicht einfach nicht Gottes Sohn, sondern anders.“
Ein Rabbi, ein katholischer, ein protestantischer und ein orthodoxer Geistlicher beraten in einer brillanten Szene als Jury, ob die Jesus Darstellung im Drehbuch korrekt sei. Die Leitfrage der Berlinale 2016 lautet: „Was bewegt, was ist wichtig, wohin geht der Weg?“ Die Antwort im Film: Die Wahrheit ist nicht mit Worten zu fassen, sondern wird „mit Licht“ umschrieben. Und Ihre Antwort? Ich erinnere mich an eine Berlinale vor einigen Jahren. Die Juryleiterin machte vor dem Publikum eine kreisende Bewegung mit den Armen und fragte: Was ist der wichtigste Film nach welchem Maßstab? Sie antwortete: „We believe in the future“. Wir glauben an die Zukunft. Was geehrt wurde, waren ausgerechnet Filme über Menschen in hoffnungslosen Situationen. Der Film „About Schmidt“ ist mir lieb und wichtig geblieben. Der frisch gebackene Rentner verliert nach dem plötzlichen Tod seiner Frau jeden Halt. Was ihn verändert, sind nicht Worte, sondern ein Bild, das ihm sein Patenkind Ndugu aus Afrika (!) gemalt hat. Es zeigt einen kleinen farbigen Jungen, der an der Hand eines größeren weißen Mannes geht. Sie erinnern sich oder ahnen was dann passiert? Schmidt schreibt einen Brief.
Eine Alltagsgeschichte: Ein junges Paar hatte am trüben Samstagnachmittag im Pfarrhaus geklingelt. Sie sprach mit amerikanischem Akzent und stellt sich als Roma vor. Der junge Mann schwieg. Sie seien aus Bramsche angereist, wo es ein Erstaufnahmelager für Flüchtlinge gibt, in dem sie Angebote machen wie Kochen, Bilder über Deutschland zeigen oder Ausflüge. Ihr Motiv? „We want to share the love of Jesus ”. Wir würden vielleicht eher sagen: Wir wollen die Liebe Gottes teilen. Zu einigen Flüchtlingen bleibe ein Kontakt, wenn sie weiterziehen. So eben auch zu K., R. und der Tochter Aisha aus Syrien, die bei uns gegenüber wohnen. Und dann habe sie gesehen, dass es hier auch eine christliche Gemeinde gibt. Ob wir auch Flüchtlingen helfen? Ich zeige ihr ein Bild von Aisha auf dem Handy, wo sie mit anderen Kindern gerade eine selbst genähte Kuscheldecke bekommt. Wir lachen und tauschen uns aus. Sie ist beruhigt, dass sie nicht immer aus Bramsche werden kommen müssen, wenn die Zukunft sich einmal wieder verfinstert. Wir bleiben in Kontakt und lassen es uns wissen, weil wir an die Geschichte glauben, die immer neu „mit Licht“ und der Liebe Gottes um(ge)schrieben werden kann.
Ein Licht geht uns auf - von Wolfgang L. Ritter, Pastor in Emden
"Ich zünde jetzt eine Kerze für dich an.“ Ein Freund hatte angerufen und zum Geburtstag gratuliert. Mit der Kerze hatte er ein wunderbares Geschenk gemacht. Eine wunderbare Geste der Verbundenheit, die bis zum Himmel reicht. Ich bin noch immer gerührt von dieser Geste der Freundschaft. Die Geste erinnert an Geburtstagskerzen und das Lebenslicht aus Kindertagen, an Geburtstagskuchen mit Kerzen. Die Geste erinnert an die kleinen Gebetskerzen in den Kirchen und - an den Advent. Es gibt Kerzen, die erinnern an Gott als Geheimnis der Welt.
Menschen stellen sich auch auf den Geburtstag von Jesus mit dem Entzünden einer Kerze ein. „Advent, Advent, ein Lichtlein brennt. Erst eins, dann zwei, dann drei, dann vier, dann steht das Christkind vor der Tür.“ Dieses kleine Kindergedicht gehört wahrscheinlich zu den unerschütterlichen Resten gereimter Bildung. Die witzige Fortführung kennt auch jeder: „Und wenn das fünfte Lichtlein brennt, dann hast du Weihnachten verpennt.“ Weihnachten? Mit einem Glöckchen wird mit dem Brennen der Kerzen des Weihnachtsbaumes angezeigt, dass nun alles bereit ist, um einzutreten. Der Heilige Abend beginnt. Im Judentum wird übrigens der Schabbat mit seinem Frieden auch durch das Anzünden der Kerzen begrüßt, damit Menschen in ihn eintreten können.
Geburtstagskerze, Adventskerze, Sabbatkerze, d.h. ein Licht geht uns auf. Die Uhren gehen anders. Entrückung und Aufklärung gehen Hand in Hand. Mit Kerzen geben Menschen einer Erwartung Ausdruck, die sich nur schwer in Worte fassen lässt. Ohne Kerzen bleibt die verheißungsvolle Einstimmung auf diese Sternstunden des Lebens „aus“. Das Licht bleibt aus. Es gibt Worte, die helfen, es anzuzünden und ohne die diese Welt ärmer wäre: „Viel Glück und viel Segen“. „Er ist die rechte Freudensonn, bringt mit sich lauter Freud und Wonn.“ „Schabbat Shalom“.
Nun reden viele über einen „Anderen Advent“ – auch auf den Weihnachtsmärkten. Es wird spannend, ob sich die vielen Erwartungen erfüllen werden und Weihnachten gelingt. Der Adventskranz und seine Kerzen können zur Klärung beitragen. Sie können die in der Weihnachtsgeschichte erwähnte „Klarheit des Herrn“ zum Leuchten bringen. Worum es geht? Nicht die eigene Erwartung an das Weihnachtsfest ist das Entscheidende, sondern die umwerfende Wahrnehmung des Erwartet – Werdens. „Laßt uns nun gehen nach Bethlehem und die Geschichte sehen, die da geschehen ist, die der Herr uns kund getan hat,“ sagen die aufgeklärten Hirten. Lassen wir uns anstecken von ihrer Aufbruchsstimmung? Gott heißt uns jedenfalls willkommen. Was Hans-Dieter Hüsch einmal für das Ende des Lebens formuliert hat, gilt auch für das Weihnachtsfest: "Ich bin überzeugt, wir werden erwartet“.
Dank unseren Küsterinnen und Küstern - angedacht von Wolfgang Ritter
An dieser Stelle soll ein altes Amt ausdrücklich gewürdigt sein. Es ist das Amt des Küsters und der Küsterin. Das Wort „Küster“ kommt von dem lateinischen Custos und bedeutet „Wächter“. Der jüdische Tempel kennt als Vorgänger die strengen Leviten, die sich als geflügeltes Wort bei uns erhalten haben. Wenn wir jemandem „die Leviten lesen“, dann bedeutet das mit erhobenem Zeigefinger „Hüti, hüti“. Ein Vers aus dem Küsterpsalm 84 bekennt nicht ohne Stolz: Ich will lieber die Tür hüten in meines Gottes Haus als da sein, wo die Gottlosen wohnen. Ein Küster weiß heute, dass es nicht darum gehen kann, ein Gemeindezentrum durch strenge Hausordnungen gegen lebendigen Gebrauch zu schützen. Er will, dass Menschen kommen und sich wohl fühlen. Eine Aufgabe der KüsterInnen besteht wohl heute eher darin, Menschen, die Gott los sind oder so fühlen, an der Kirchentür freundlich zu begrüßen. Sie helfen über die Schwelle und leisten auch manchmal Übersetzungshilfen für das, was am Sonntag gepredigt wurde. Am Anfang von Psalm 84 heißt es: „Wie lieb sind mir deine Wohnungen, Herr Zebaoth!“ Küster und Küsterinnen erleben manchmal auf ganz eigene Weise, dass die Arbeit, die sie in einer Kirche tun, nicht nur den Menschen dient und der Erde, sondern auch dem Himmel und Gott. In einer früheren Dienstanweisung für Küster stand die Mahnung, die Küsterarbeit sei in Ehrfurcht zu verrichten. Auf dem Altar sollten frische Blumen stehen. Die Kerzen sollten mit einem Gebet und nicht ohne die Hoffnung entzündet werden, dass Gott lebendig gegenwärtig sein wird. Ein wachsamer Küster / eine wachsame Küsterin eben bereitet dem Herrn den Weg. Die Kirche wird von einem Küster oder einer Küsterin vorbereitet, damit sie ein Ort der frohen Botschaft sein kann. Mit jeder Auslegung der Heiligen Schrift, mit jedem Kind, das die Heilige Taufe empfängt, mit jeder Feier des Heiligen Abendmahls, mit jedem lebendigen Gottesdienst, mit jedem Gebet, das gesprochen wird, mit jedem Toten, der beweint wird, mit jedem Brautpaar, das sich Liebe und Treue verspricht, wird die Kirche zu dem, was sie sein soll, durch die Vorbereitung von Küsterinnen und Küstern. Eine Kirche wird dadurch nicht nur zu einem Denkmal, sondern zu einem „Liebmal“ oder „Hoffmal“, das mit Christus verbunden ist. Ich bin dankbar für die verlässliche Arbeit der Küsterinnen und Küster, die ich habe kennenlernen können und die schönen Räume, die sie für Gott und die Menschen bereit halten. Und manch „lecker köppke“ Tee. Danke!
Zwei zu eins ist nicht genug - zum Erntedank, angedacht von Andreas Bartels
Ob an diesem Wochenende in der Fußball-Bundesliga eine oder mehrere Partien mit dem Ergebnis 2:1 enden werden, das weiß ich nicht. Im Fußball geht solch ein Ergebnis durchaus in Ordnung. Zwei zu eins – das scheint nicht selten auch das Ergebnis in Blick auf das Fest im Jahreslauf, das wir am Sonntag feiern. Zwei zu eins klingt gut, das ist kein Unentschieden, aber noch wichtiger: das ist auch nicht verloren, würde man das als Sportergebnis lesen. Mir ist das zu wenig. Wenn wir Sonntag nicht ein eindeutiges Drei zu Null feiern, dann hat das Fest am Ende doch verloren. Sie wissen schon längst, worum es geht – um das: (1)Ernte – (2)Dank- (3)Fest. Und wenn wir uns da mit einem zwei zu eins zufrieden geben würden, dann fühlt sich das fast wie eine Niederlage an. Ein Dankfest feiern, klingt gar nicht schlecht, dieses zwei zu eins. Doch die Ernte stünde auf der Verliererseite. Würden wir anders herum lediglich ein Erntefest feiern, hätte der Dank verloren. Egal, was auf der Seite von zwei oder eins zu stehen kommt – es würde etwas fehlen an diesem Tag.
Ich mag mir tatsächlich an diesem Tag kein zwei zu eins vorstellen. Entweder wir feiern drei zu null, oder es wird ein mehr oder weniger beliebiges, wieder einmal mehr von Menschen gemachtes Fest. Erntedankfest – wir feiern ein Fest, weil wir für die Ernte danken, weil wir für all die guten Gaben danken, von denen wir leben und die uns Jahr für Jahr anvertraut und geschenkt werden. Denn bei aller menschlichen Arbeit bleibt es wunderbares Geschenk, dass etwas wächst, dass wir ernten könnten und dass wir danken können. „Wachstum und Gedeihen steht in des Himmels Hand“ – so dichtet Matthias Claudius in seinem berühmten Lied und dem ist nichts hinzuzufügen. Dafür, dass etwas wächst, können wir uns nicht auf die Schulter klopfen, das können wir nicht „machen“. So kommt am Ende kommt der wichtigste Zähler noch dazu, denn unser Dank an diesem Fest weiß um sein gegenüber - wir wissen, wem wir alles das zu danken haben – dem von dem der 104 Psalm singt: Herr, mein Gott, du bist sehr herrlich! Du machst das Land voller Früchte, die du schaffst. Herr wie sind, deine Werke so groß und so viel! Geben sie sich nicht mit einem zwei zu eins zufrieden. Dieser Tag verdient ein klares drei zu null., weil unser Gott, den wir als (1) Vater- (2) Sohn und (3) Heiligen Geist bekennen uns so reich beschenkt, dass wir allen Grund haben auch in diesem Jahr Ernte-Dank-Fest zu feiern.
Vom Urlauben zum Urglauben - angedacht von Wolfgang Ritter aus Emden
Laut Duden ein schwaches Verb, umgangssprachlich: Wir „urlauben“. Wir muten uns eine Menge zu beim „Urlauben“: „Party machen“, z.B.. Das wird langweilig und hat Nachwirkungen, wenn es zu lange dauert. Wir tauschen Freundschaften gegen flüchtige Bekanntschaften, insbesondere die der Kinder. Die liebevoll eingerichteten eigenen vier Wände reduzieren sich auf eine kleine Ferienwohnung oder das Gastzimmer mit einer Matratze, die der Rücken schnell beanstandet. Paare, die statistisch gesehen pro Tag etwa 8 Minuten für persönliche Dinge aufwenden, erfahren ganz viel Nähe – manchmal zu viel.
„Urlauberseelsorge“ gibt Hilfestellung, damit aus einem schwachen Verb eine starke Erfahrung werden kann. 220 UrlauberseelsorgerInnen packen neben der Badetasche auch noch den Talarkoffer ein, um an 100 Urlaubsorten ihren Dienst zu versehen. Ein weites Feld: Das ist die Urlauberkantorei auf Norderney. Das sind, auch zur Freude der Eltern, Gute-Nacht-Geschichten für Kinder. Das sind Almgottesdienste, die Urlaubserfahrungen aufnehmen und deuten. Es geht im Urlaub auch darum, die enttäuschten Erwartungen humorvoll ansprechen zu können und einzuordnen. Kirchen werden zu wichtigen Orten der Begegnung – auch spirituell. Manchmal ist ja die Versuchung groß, so zu tun, als ob im Urlaub durch Berge und Meer alles toll und Gott selbst ganz unmittelbar erfahrbar sein müsste.
Die Botschaft ist aber: Es geht beim Urlauben auch um Grundwahrheiten, um „Urglauben“. Wir begegnen der Schöpfung, nicht dem Schöpfer. Gott erscheint als das Geheimnis der Welt, das sich nur langsam erschließt. Über das Staunen können wir uns erinnern, dass Himmel und Wolken als Gleichnis dienen für Gott mit seiner weitreichenden Güte und Wahrheit. Das wird als Ermunterung erfahren, wenn wir knauserig anfangen, den Urlaub abzurechnen oder sogar abzuschreiben. Da kann die großzügige Schönheit der Lilien auf dem Felde uns auf die andere Tonart Gottes einstimmen. Wenn wir die eigene Mitte mal wieder schmerzhaft entbehren, ist es erfrischend aus einer anderen Quelle Heiterkeit schöpfen zu können und die Umgebung in einem neuen Licht zu sehen. Die Vöglein auf dem Felde zwitschern von der fröhlichen Sorglosigkeit und von der Sorge des Himmels um uns Erdenbürger. Vielleicht begegnet uns auch der fremde Orientale Jesus Christus wieder, um gerade uns Gottes Menschenfreundlichkeit zu offenbaren. Damit Gottes Menschenfreundlichkeit und Segen nicht nur im Urlaub, sondern alle Tage um uns sei und gerade wir etwas davon in die Welt tragen.
Mohnbrötchen und der Wolf - von Wolfgang Ritter
Am letzten Samstag war ich morgens beim Bäcker. Vor mir war eine Frau, die gerade Brötchen bestellte. Und dann sagte sie: „ Also letzten Samstag, da habe ich auch Brötchen bestellt. Ich glaube, es war eine Auszubildende. Also die waren so klein. Und ich war sauer. Echt stinksauer.“ Ich mischte mich ein und sagte möglichst freundlich: „Ich glaube, das ist kein Grund sauer zu sein. Es gibt aber andere Gründe.“ Tatsächlich wurde auch ich auf die Probe gestellt, denn ich hatte Mohnbrötchen bestellt und was war dann in der Tüte? - Weltmeisterbrötchen. Da wird man nachdenklich – und kann ganz schön sauer werden!
Bei einem Trauergespräch für einen noch nicht ganz alten Handwerker war folgende Geschichte wichtig: Eines Abends erzählte ein alter Cherokee-Indianer seinem Enkelsohn am Lagerfeuer von einem Kampf, der in jedem Menschen tobt. Er sagte: „Mein Sohn, der Kampf wird von zwei Wölfen ausgefochten, die in jedem von uns wohnen.“ Einer ist böse. Er ist der Zorn, der Neid, die Eifersucht, die Sorgen, der Schmerz, die Gier, die Arroganz, das Selbstmitleid, die Schuld, die Vorurteile, die Minderwertigkeitsgefühle, die Lügen, der falsche Stolz und das Ego. – Und der andere ist gut. Er ist die Freude, der Friede, die Liebe, die Hoffnung, die Heiterkeit, die Demut, die Güte, das Wohlwollen, die Zuneigung, die Großzügigkeit, die Aufrichtigkeit, das Mitgefühl und - der Glaube. - Der Enkel dachte einige Zeit über die Worte seines Großvaters nach, und fragte dann: Welcher der beiden Wölfe gewinnt? Der alte Cherokee antwortete: „Der, den du fütterst.“ - Welchen Wolf werden wir füttern? Man kann den falschen Wolf füttern. Immer wieder – bis zu einem wie auch immer bitteren Ende.
Und manchmal fängt das am frühen Morgen beim Bäcker an, wenn man über ein zu kleines oder verkehrtes Brötchen stinksauer ist. Dann weiß ich schon, welcher Wolf da gerade gefüttert wird. - Vielleicht haben Sie auch diese frommen Plakate gesehen? Die hängen jetzt überall. OBI sei Dank. Wissen Sie, was darauf steht: „Beete gut, alles gut“. Eigentlich schreibt man Beten ja nur mit einem „e“, oder? Bete gut! Wer es mit zwei „e“ schreibt, der weiß: Es ist noch nicht alles gut, wenn der eigene Vorgarten gepflegt aussieht, aber immerhin. Wer betet, sollte wissen: „Sauer macht lustig“. Im christlichen Gebet und vor Gott gewinnen wir Abstand. Wir lassen uns Klarheit und manchmal auch ein Lächeln schenken. Wir haben Anteil an der Hoffnung, dass der gute Wolf gewinnt.
Nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Lob. Röm 15,7
Andacht zur Jahreslosung 2015
Wo fühle ich mich wohl? - Da, wo ich sein kann, wie ich bin. Wo ich mich nicht verbiegen muss, um gemocht zu werden. Wo ich mit meinen Ecken und Kanten, Stärken und Schwächen ernstgenommen werde. Wo ich keine Angst haben muss, abgeschrieben oder ausgestoßen zu werden, wenn ich nicht so funktioniere, wie es von mir erwartet wird.
Welche Orte fallen mir da ein? - Ist es meine Ehe, meine Familie, mein Arbeitsplatz? Sind es Freunde? Letztere kann ich mir bekanntlich aussuchen... – Ganz anderes hat Paulus im Blick, wenn er am Ende seines Briefes an die Christen in Rom schreibt:
Nehmt einander an... Er richtet sich mit dieser Aufforderung an eine bunte Mischung von Christinnen und Christen, an solche mit heidnischen und jüdischen Wurzeln. Letztere sind wohl in der Minderheit. Unterschiedliche Meinungen über „den christlichen Lebensstil“ führen dazu, dass sie sich gegenseitig verunsichern und sich ein schlechtes Gewissen machen. Sie verachten und verurteilen einander. In den Köpfen und Herzen entsteht eine Aufteilung in Starke und Schwache im Glauben. Der Streit darüber droht die Gemeinde zu zerreißen...
Lange her und doch so vertraut! Streit und Spaltung gehören seit jeher zur politischen Tagesordnung. Leider auch zu der in unseren Gemeinden und Kirchen. Sie könnten, so malt es Paulus den Konfliktparteien vor Augen, Orte der Freude und der Hoffnung sein, wo alle darauf bedacht sind, sich gegenseitig aufzubauen. Oasen der gegenseitigen Ermutigung und des Friedens...
Alles nur ein frommer Wunsch? Heute fassen wir ihn in Begriffe wie Toleranz, Akzeptanz, Einheit in aller Verschiedenheit. Oft gefordert, selten konsequent umgesetzt. Jedenfalls leichter gesagt als getan.
Annehmen meint zunächst Gottes konkretes Eingreifen in das Leben von Menschen: er zieht sie aus Gefahr und Verlassenheit zu sich und bietet ihnen einen Schutzraum an. Ganz stark kommt das in den Psalmen zum Ausdruck: „Er streckte seine Hand aus von der Höhe und fasste mich und zog mich aus großen Wassern.“ (Ps. 18,17) So argumentiert Paulus: wie könnt ihr Leute unter euch verachten und aus eurer Gemeinschaft ausschließen, wenn Gott sie angenommen hat? Was maßt ihr euch an? Er ergänzt seine Aufforderung:
Nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat.
Christus, sein bedingungsloses Ja zu euch, seinen Kindern, ist euer Bindeglied!
Keine gemeinsame Idee oder Aufgabe, keine Lehre und keine Kirche schaffen die Einheit, die Christus schafft.
(Renate Karnstein)
Die Fackel hoch halten. Von Wolfgang L. Ritter, Pastor in Emden
Vor hundert Jahren hatte der englische Sanitätsoffizier John McCrae im 1. Weltkrieg ein Gedicht geschrieben, das an eine schlichte Trauerzeremonie für einen gefallenen Freund erinnert: „Auf Flanderns Feldern blüht der Mohn Zwischen den Kreuzen, Reihe um Reihe. Wir sind die Toten. Vor wenigen Tagen noch lebten wir, fühlten den Morgen und sahen den leuchtenden Sonnenuntergang, liebten und wurden geliebt, und nun liegen wir auf Flanderns Feldern. Aus sinkender Hand werfen wir Euch Die Fackel zu, die Eure sei, sie hoch zu halten.“ Durch dieses Gedicht wurde der Mohn zur Blume des Gedenkens an die zahlreichen und namenlosen Opfer der Kriege. Im Sommer gab es in London eine Installation mit 900000 Mohnblumen – für jeden englischen Kriegstoten eine. Wir haben in der Woche des 100. Jahrestages der Kriegserklärung des Deutschen Reichs an Frankreich in St. Desir / Frankreich einen ökumenischen Gottesdienst gefeiert. Etwa 100 Franzosen, Deutsche und junge Russen und Russinnen! Wir haben mit Mohnblumen und dem Gedicht der Gefallenen, der Vermissten und der Verwundeten auf drei Seiten gedacht. Dass wir so lange in Frieden leben, versöhnt mit unseren Nachbarn, ist ein großes Geschenk und bleibt eine große Aufgabe.
Ich hatte uns allerdings zunächst eine wichtige Zeile unterschlagen: „Nehmt auf unseren Streit mit dem Feind“. Was fangen wir heute damit an? Was ist unser Streit – mit welchem Feind? Damals waren es für John McCrae die Deutschen. Heute müsste es eine Frage der Verantwortung sein, andere in ihrem Kampf, gegen die Verklärung eines Nationalismus, der Elend und Verderben brachte – und bringt, nicht allein zu lassen.
Dazu gehören nach dem Willen unseres Parlaments Waffenlieferungen und Allianzen gegen einen mörderischen „Islamischen Staat“, der „die“ Anderen mit Tod und Sklaverei bedroht, nur weil sie anders sind. Dazu gehört nun aber auch, uns auf die Menschen einzustellen, die in Europa Zuflucht suchen vor „dem Krieg“. Durch die dezentrale Unterbringung in Wohnungen erleben wir sie in verschiedenen Wohnvierteln hautnah. Die Kinder begegnen sich im Kindergarten, in der Schule, auf der Straße. Und die Erwachsenen? Als „Fackel für den Alltag“ mit den Menschen und ihren Kriegsgeschichten einige biblische Verse aus dem 1. Petrusbrief: „Wer das Leben lieben und gute Tage sehen will, der hüte seine Zunge, dass sie nichts Böses rede, und seine Lippen, dass sie nicht betrügen. Er wende sich ab vom Bösen und tue Gutes; er suche Frieden und jage ihm nach.“
Das Buch der Bücher und die Briefe aus Amerika - von Sven Grundmann
Wenn wir in meiner Kindheit einen Brief von unseren Verwandten aus Amerika bekamen, dann waren wir immer ganz aufgeregt. Von so weit her kam er. Mit einer bunten und interessanten Briefmarke war er versehen. Und: Fast drei Wochen hatte er manchmal gebraucht. Was für eine lange Zeit! Heutzutage ist das unfassbar - in der Zeit von E-Mail und Internet!
Und dann erst die Sprache: Auf Englisch teilten uns unsere Verwandten mit, wie es ihnen ging, ließen uns an ihrem Leben auf der anderen Seite des Atlantik teilhaben. Jeder Brief aus Amerika war wie eine Botschaft aus einer fremden Welt an uns!
Mit der Bibel geht mir das heute im Grunde manchmal fast genauso! Aus ferner Zeit kommen die einzelnen Bücher der Bibel in unsere Zeit. Aus weiter Ferne erreichen sie uns und lassen uns am Leben der Menschen damals teilhaben.
Aber jedes Mal bin ich wieder erstaunt, wie schnell und problemlos sich der Graben der Zeit und der Entfernung überbrücken lässt. Schon nach wenigen Zeilen, etwa in den Fünf Büchern Mose, bin ich mitten drin in der Geschichte Gottes mit seinem Volk Israel. Ich stehe mit Josef in Ägypten im Wüstensand und habe das Gefühl, die Wärme der Sonne dort zu spüren.
Ich sitze mit Mose am Ufer des Jordanflusses und blicke mit ihm hinüber ins gelobte Land und habe das Gefühl, seine Traurigkeit zu teilen, weil er es nicht mehr erreichen wird.
Gleiches gilt auch für das Neue Testament: Es ist wohl keiner unter uns, der beim Lesen der Weihnachtsgeschichte aus dem Lukasevangelium nicht genau die Krippe und den Stall bildhaft vor Augen hätte, als wäre er Augenzeuge gewesen. Und wenn die Evangelien an ihrem Ende davon erzählen, wie Jesus ans Kreuz geschlagen wird und stirbt, dann berührt das wohl alle Menschen, die nicht vollkommen abgebrüht sind. Sie spüren hautnah die tiefe Trauer, die über dem Geschehen liegt!
Ja, die Bibel nimmt mich und mein Leben mitten in das Leben ihrer Akteure mit hinein.
Sie ist ein lebendiges Buch! Und es ist Gottes guter Geist, der es uns ermöglicht, Zeit und Raum zu überbrücken und Gott darin direkt zu begegnen! Denn: In der Bibel geht es immer auch um mich! Martin Luther hatte das einst für sich wieder entdeckt, als er sich direkt angesprochen und getröstet fühlte, nachdem er Gott für sich und sein Leben fast verloren hatte. Diese Entdeckung haben nach ihm ungezählte Menschen auf der ganzen Erde immer wieder machen können.
Und auch ich kann diese gute Erfahrung immer wieder neu machen:
Die Bibel ist auch für mich geschrieben: Lebendig und aktuell, das Buch der Bücher eben!
Pastor Sven Grundmann
Evangelisch-lutherische Marien-Kirchengemeinde Holtland
Wussten Sie eigentlich? - Andacht in einfacher Sprache zum 18. Sonntag nach Trinitatis von Martin Kaminski
Wussten Sie eigentlich, dass sonntags in fast allen Kirchen über denselben Bibeltext gesprochen wird? Das ist so eine Art Absprache und daher kann ich heute schon wissen, worum es am Sonntag geht. Diesen Sonntag geht es um Mose – der ist den meisten Menschen heute noch dadurch bekannt, dass er angeblich das Meer geteilt hat. Und warum? Weil ihm der Pharao mit seinen Soldaten auf den Versen war. Mose hatte nämlich das Volk der Israeliten aus Ägypten und damit von der Sklaverei befreit. Das hat dem Pharao überhaupt nicht gefallen. Er sattelte die Pferde, spannte die Kriegswagen an und wollte die Israeliten wieder einfangen – und wenn das nicht geklappt hätte – dann wenigstens umbringen. Am Schilfmeer war dann Schluss. Da stand Mose nun: Im Rücken der Pharao und seine Krieger – vor sich das Meer. Mit ihm das verängstigte Volk – weinende Kinder, verzweifelte Eltern … - vielleicht sahen sie ungefähr so aus wie die Menschen, die heute vor den IS-Terroristen fliehen … - Was nun? Die Bibel erzählt, dass Gott etwas völlig unmögliches vollbringt. Durch Mose teilte er das Meer – sein Volk zog durch. Der Pharao hinterher und als die Ägypter mitten drin waren, schlug über ihnen das Wasser zusammen. Gott rettete sein Volk – mit den Ägyptern machte er kurzen Prozess. Manchmal wünsche ich mir, dass unsere heutigen Probleme auch so zu lösen wären. Gott sollte eingreifen und die Verfolgten beschützen.
Diesen Sonntag geht es also um Mose. Den mit den Geboten. Das erste Gebot war ja das mit der Einzigartigkeit Gottes. Ihn ernst zu nehmen, anzuerkennen, dass es etwas größeres gibt, als mich selbst – das war Gott sehr wichtig. Und warum? Weil die Menschen ausrasten, wenn sie sich selbst für das Wichtigste halten – das kann man auch heute noch an vielen Stellen beobachten. Leider. Mose war ja auf den Berg gestiegen, um die Gebote von Gott zu holen. Er war ziemlich lange weg. Da verloren die Menschen die Geduld und bauten sich eine Figur, die sie anbeten konnten – ein goldenes Kalb, vielleicht kennt Ihr die Geschichte. Sie wollten unbedingt etwas haben, was sie sehen und anfassen konnten. Dieser unsichtbare Gott – das war ihnen zu wenig. Als Mose wiederkam und das sah wurde er sehr wütend. Wieso konnten die Menschen sich nicht einfach mal die Regeln halten? Er zerdepperte vor lauter Wut die Steintafeln. Die Leute erkannten, dass es keine gute Idee gewesen war, sich einen eigenen Gott zu bauen. Heute bauen sich die Menschen ständig eigene Götter. Geld – Macht – Fun – ach – alles mögliche beten die Leute an. Nur mit dem unsichtbaren Gott, da wollen viele nichts mehr zu tun haben. Sehr schade.
Nun stieg Mose also wieder zurück auf den Berg. Dabei war ihm nicht wohl. Er fürchtete, dass Gott sehr ungemütlich werden könnte, da die Menschen wirklich viel Mist gebaut hatten. Und er ja schließlich auch. Vor lauter Wut hatte er sich vergessen und die kostbaren Tafeln zerstört. Die Tafeln mit Gottes Wort, den goldenen Regeln für ein gelingendes Leben. Mose wusste, dass die Regeln so gut und wichtig waren, dass er sie unbedingt nochmal besorgen musste. Nicht töten, nicht stehlen, nicht lügen, die Eltern nicht vergessen, Gott lieben und noch fünf weitere goldene Regeln. Also machte sich Mose auf und tat das, was Leuten bis heute manchmal sehr schwer fällt. Er bat Gott um Verzeihung. Er rief Gott, gab ihm die Ehre und bat um Vergebung. Gott ließ sich übrigens nicht lange bitten. Er erneuerte seinen Bund mit den Menschen und erneuerte auch die Gebote … - damit hatte Mose nicht unbedingt gerechnet. Bis heute können wir das wagen: Um Vergebung bitten. Andere Menschen, aber auch Gott. Neu anfangen. Zum Beispiel heute.