Kirchenkreissynode - Thema Landwirtschaft

Pressemitteilung 21. Juli 2021

Miteinander im Gespräch bleiben und Höfesterben verhindern

Bei der Kirchenkreissynode Emden-Leer stand das Thema Landwirtschaft im Mittelpunkt

Für engagierte Beiträge zum Thema „Landwirtschaft“ bedankte sich in der jüngsten Tagung der Kirchenkreissynode des Evangelisch-lutherischen Kirchenkreises Emden-Leer deren Vorsitzender Hans-Hermann Woltmann aus Bingum. Vorträge hielten Landwirt Ottmar Ilchmann, Landesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) aus Rhauderfehn-Klostermoor, und Pastorin Ricarda Rabe vom Kirchlichen Dienst auf dem Lande der Landeskirche. Aus diesen entwickelte sich in der Videokonferenz ein lebhafter Austausch mit den Synodenmitgliedern.

Ottmar Ilchmann stellte die AbL als Interessenvertretung kleinerer und mittlerer, sowohl biologisch wie auch konventionell arbeitender Betriebe, vor. Besonderheit der ABL sei der Dialog mit der Gesellschaft und die Zusammenarbeit in agrarpolitischen Fragen mit vielen zivilgesellschaftlichen Gruppen wie Umwelt- und Tierschutzverbänden, kritischen Verbrauchern und Eine-Welt-Gruppen.

Die meisten Probleme der ostfriesischen Landwirte ließen sich letztlich zurückführen auf einen Spagat, den die landwirtschaftlichen Betriebe leisten sollten: Er bestehe zwischen hoher Produktion von Erzeugnissen, die vom Preis her weltmarktfähig sein sollen einerseits und hohen gesellschaftlichen Anforderungen, die die Produktion erschweren und verteuern andererseits, erklärte Ilchmann. Dieses Spannungsfeld sei in den vergangenen Jahren immer weiter eskaliert und habe die Bauern wirtschaftlich unter Druck gebracht. Auch Konflikte zu weiten Teilen der Gesellschaft seien damit verschärft worden. Verantwortlich sei auch die deutsche und europäische Agrarpolitik der vergangenen Jahrzehnte, die ihre Agrarförderung rein an der bearbeiteten Fläche ausgerichtet habe. „Somit gab es für intensiv geführte, wachsende Betriebe Wettbewerbsvorteile, eine Produktion von ,immer billiger und immer mehr’ rentierte sich wirtschaftlich am meisten“, beschrieb der Landwirt die Entwicklung.

Ilchmann ging auch auf die Interessenvertretung „Land schafft Verbindung“ (LsV) ein. Nach anfänglichen Auseinandersetzungen stünden mittlerweile eigentlich alle landwirtschaftlichen Vertretungen miteinander im Dialog und würden auch nach außen oftmals gemeinsam auftreten. Die eindrucksvollen Demonstrationen von LsV hätten mit dazu geführt, dass Probleme, die lange erkannt und benannt gewesen seien, nicht mehr auf die lange Bank geschoben, sondern angepackt würden. „Das sind Prozesse, die Anlass zur Hoffnung auf Lösungen geben“, sagte der Redner.

Als Lösungsansätze beschrieb Ottmar Ilchmann den sogenannten Niedersächsischen Weg, die Zukunftskommission Landwirtschaft und den sogenannten Agrardialog. „Wichtig ist es jetzt, dass Landwirtschaft, Gesellschaft, Politik und Handel offen und transparent kommunizieren, Vertrauen aufbauen und sich der Wichtigkeit der anstehenden Entscheidungen bewusst sind. Ohne eine Änderung der Weichenstellung wird das Höfesterben weitergehen, und am Ende werden wir nicht mehr die bäuerliche Landwirtschaft haben, die doch jeder gerne will, sondern industrielle Großstrukturen“, sagte der Referent.

Pastorin Ricarda Rabe bezeichnete die Analyse Ilchmanns als „sehr präzise“. Der kirchliche Dienst auf dem Lande übe eine Art Dolmetschertätigkeit zwischen den Bereichen Landwirtschaft, Gesellschaft und Kirchen aus. Sie sehe, so die Referentin, auch eine psychosoziale Krise bei Menschen in der Landwirtschaft, die durch gesellschaftlichen Druck ausgelöst werde. Landwirte und Landwirtinnen identifizierten sich mit ihrem Beruf und erlebten deshalb eine besondere persönliche Betroffenheit. In vielen landwirtschaftlichen Familien seien die Gespräche über die weitere Entwicklung abgebrochen, manche rieten ihren Kindern von einer Hofübernahme ab. „Dabei haben wir noch nie eine so hoch gebildete Landwirtschafs-Klientel gehabt“, sagte Rabe.

Die Pastorin machte auf die Evangelische Landwirtschaftliche Familienberatung (ELF) aufmerksam. 15 Beraterinnen und Berater arbeiteten darin überkonfessionell und kämen auf Wunsch bei unterschiedlichen Problemstellungen auf die Höfe. Sie könnten beispielsweise helfen, ein Gespräch wieder in Gang zu bringen.  

Als eine Herausforderung vieler Kirchengemeinden schilderte die Referentin die Verpachtung von Kirchenland. Kirchliche, soziale, wirtschaftliche und ökologische Belange sollten berücksichtigt werden. Wichtig sei, die Vergabe transparent zu gestalten und einen wertschätzenden Dialog mit den Pächtern zu pflegen. Dabei müssten die Gemeinden unabhängig gegenüber Dritten bleiben.

In seinem Schlusswort ging Ottmar Ilchmann auf die Rolle der Kirche gegenüber der Landwirtschaft ein, zu der eine Mitverantwortung gehöre. Bewussteres Einkaufen sei ein Beispiel. Auf weltweite Verantwortung wies Pastorin Rabe hin. Der Hunger in der Welt sei auch ein Verteilungsproblem, sagte sie.