Worte können wie ein Gift wirken

Pressemitteilung 31. Januar 2023

Gottesdienst zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus

Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) Leer lud ein

Wachsam und kritisch mit unserer Sprache umzugehen – daran appellierten im ökumenischen Gottesdienst in der katholischen Kirche St. Michael in Leer die Mitglieder der Vorbereitungsgruppe. Eingeladen hatte am Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus wieder die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Leer (ACKL). In deren Namen begrüßte Michael Fischer die Zuhörer.

In den vergangenen Jahren waren in diesem Gottesdienst unterschiedliche Opfergruppen des Nationalsozialismus in Erinnerung gerufen worden. „Die Gewalt soll nicht das letzte Wort haben – Vergiftete Sprache im ,Dritten Reich‘“ lautete diesmal das Thema. Es habe auch im Hinblick auf den Krieg in der Ukraine nahegelegen, erklärte Fischer.

„Die Sprache wurde für die Zwecke der Nazis vereinnahmt, missbraucht, vergiftet“, sagte einleitend Frank Wieligmann. Wie das gehe, könne man sich auch zu unserer Zeit vorstellen: Hassrede sei ein verbreitetes Problem.

Auf eine Leinwand wurden Worte wie etwa „Bis zur Vergasung“, „Rassenschande“, „uphaalen/aufholen“, „arisieren“ und „Endlösung“ eingeblendet und von Christine Kimmich und Silke Janssen vorgetragen. „Worte können sein wie winzige Arsendosen: sie werden unbemerkt verschluckt, sie scheinen keine Wirkung zu tun, und nach einiger Zeit ist die Giftwirkung doch da.“ Diese und andere Zeilen zitierte Christine Kimmich aus dem Buch „Die Sprache des Dritten Reiches“, das der Literaturwissenschaftler Viktor Klemperer geschrieben hat.

Begriffe, wie sie an der Wand zu lesen waren, habe auch der gebürtige Leeraner Dr. Bernhard Bavink verwendet, sagte Wolfgang Kellner. Er sprach zum Thema „Das vergiftete Denken Bavinks“. Dieser habe schon vor Beginn der Nazi-Herrschaft einen „faschistischen Zukunftsstaat“ gefordert und sei stolz darauf gewesen, mit anderen Menschen die geistige Atmosphäre geschaffen zu haben, in der der Nationalsozialismus entstehen konnte.

Auch heute diene Sprache oft als Waffe zur Legitimation von Macht- und Gewaltausübung. Als Beispiel nannte Kellner den russischen Präsidenten Putin, der einen grausamen Krieg gegen die Zivilbevölkerung der Ukraine als „Spezialoperation“ bezeichne. Beispiele dafür, dass in der Politik und in den Medien Sachverhalte und Personen manipulativ in ein anderes, negatives Bedeutungsumfeld eingebettet würden, gebe es auch in Deutschland. „Seien wir daher wachsam und kritisch im Umgang mit unserer Sprache“, appellierte Kellner. Außerdem sei es wichtig, die Medienvielfalt zu erhalten und jungen Menschen Medienkompetenz zu vermitteln.

Biblisch begründete Gedanken zum Thema erläuterte als Pastorin im Ruhestand Christine Kimmich. Die Bibel richte unübersehbare Warnschilder auf. Am deutlichsten werde das in den zehn Geboten. Auch in der Bergpredigt warne Jesus beispielsweise davor, zu töten oder schlecht über andere Menschen zu reden. Abwertende Sprache, so Kimmich, sei der erste Schritt auf dem Weg, Menschen zu verachten, zu verletzen, auszubeuten, zu vernichten, zu ermorden. Umgekehrt sage die Bibel in vielen Variationen, was guttue: „Liebe deinen Nächsten.“ Dort heiße es sogar „Tut wohl denen, die euch hassen.“ Dankbar, so die Rednerin, sei sie für alle, die Solidarität, Tatkraft und politische Klugheit zeigten und für gerechte Gesetze sorgten.

Musikalische Akzente setzten im Gottesdienst Julia Wolbers (Querflöte) und Albert Kretzmer (Orgel). Eine Kollekte wurde für Opfer des Krieges in der Ukraine über das „Bündnis Entwicklung Hilft" und „Aktion Deutschland Hilft“ gesammelt.